Architektur für den neuen Vogelsang

DAS GWG-PROJEKT «CHAMPS DES OISEAUX» IM VOGELSANG INTERESSIERT NICHT NUR GWGLERINNEN UND GWGLER, SONDERN AUCH ARCHITEKTURLIEBHABERINNEN UND -LIEBHABER, DIE WINTERTHURER BEVÖLKERUNG UND DIE LOKALE PRESSE. AUSZÜGE AUS DEM LANDBOTE-ARTIKEL NACH DER VERNISSAGE IM NOVEMBER 2014.

Die Architektur des Siegerprojektes «Champs des Oiseaux» (Feld der Vögel) ist unkonventionell. Die meisten der 15 Architekturbüros, die zum Wettbewerb eingeladen worden waren, wollten eine oder zwei mehr oder weniger durchbrochene Häuserzeilen auf dem Hanggelände platzieren. Das Zürcher Architekturbüro Knapkiewicz & Fickert hingegen wählt eine komplizierte Wabenstruktur, deren Geometrie auch mit Blick auf Pläne und Modelle nicht leicht zu durchschauen ist.  Die teils zusammenhängenden Gebäudekörper sind um achteckige Höfe herum platziert. Es gibt einen Zentralhof mit geteilten Nutzungen – ein Gemeinschaftsraum, eine Kita und ein Kindergarten sind geplant. Im Seitenprofil erhöht sich die Bebauung gegen den Hang hin um ein Stockwerk. Der Bau erscheint nach hinten dreigeschossig, wobei die beiden oberen Stockwerke im Holzbau ausgeführt werden. Wie ein Pavillon soll das wirken und sich gut ins dahinterliegende Püntenareal einordnen.

ARCHITEKTEN-AUGENWASSER

«Wir haben fast geweint vor Freude, als wir erfuhren, dass wir gewonnen haben», sagte Axel Fickert bei der Projektpräsentation. Denn bei der Überbauung habe sein Büro «etwas Neues» entdeckt, das «uns noch beschäftigen wird». Fickert bot einen amüsanten Abriss, wie er mit seinem Team versuchte, die «gewaltige Baumasse» auf dem schmalen Hangstück zu platzieren – ohne befriedigendes Resultat. Plötzlich hätten sie die zündende Idee gehabt. «Wir haben uns gesagt, wir machen einen grossen Block, aus dem wir Höfe schneiden. Nach dem Motto: Es geht nicht ums Haus, es geht um den Freiraum.»  Erst im Nachhinein entdeckte Fickert, dass das Prinzip, ein Haus durch einen seitlich bebauten und gegen die Strasse geschützten Hof abzusetzen, eine Tradition in Frankreich hat, im sogenannten Hôtel particulier, einem Stadthaus-Typus der besseren Gesellschaft des 17. und 18. Jahrhunderts.

ES GEHT NICHT UMS HAUS, ES GEHT UM DEN FREIRAUM

Der Entscheid für «Champs des Oiseaux» sei einstimmig gefallen, sagte Astrid Staufer von der Wettbewerbsjury. Sie lobte die «zellulare Struktur» der Bebauung. Die Höfe ermöglichten Begegnungen und trügen damit dem Genossenschaftsgedanken Rechnung. Gleichzeitig gebe es genug Privatheit und Rückzugsmöglichkeiten. Auch die Erschliessung der Wohnungen mit einem «kapillarartigen Raumsystem» – zwischen den Höfen gibt es Verbindungen – und die Wirtschaftlichkeit sprächen für das Siegerprojekt.

Die Grundrisse sind laut Philipp Brunnschweiler vom Vorstand der GWG bewusst knapp geschnitten. «Das macht günstigen Wohnraum erst möglich.» Ein Drittel ist als Familienwohnungen geplant. In der grossen Zahl von 1- bis 2½-Zimmer-Wohnungen spiegeln sich die demografische Entwicklung, die Single- und Scheidungsgesellschaft. Auch Wohnraum für 100 Studenten wird es geben, sie teilen sich grosse, strassenseitig gelegene Wohnungen. Die Genossenschafter wohnen in den oberen Etagen, mit Aussicht. Jede Wohnung soll dank cleveren Grundrissen Blick ins Tal und auf den Hang bieten. Unterhöhlt ist das Ganze mit einer Tiefgarage. Und, um ein letztes Detail zu nennen: An der Unteren Vogelsangstrasse planen die Verfasser ein Hochtrottoir mit Geländer.