ÜBER PARIS UND BELGRAD NACH KOLLBRUNN

KOLLBRUNN IST DREH- UND ANGELPUNKT FÜR FAMILIE NIKOLIC. MIT DRAGANA HABEN WIR ÜBER IHR LEBEN IM DORF UND DARÜBER GESPROCHEN, WARUM SIE SICH NICHT VORSTELLEN KANN, IRGENDWO ANDERS ZUHAUSE ZU SEIN.

Dabei war die Vorstellung, aufs Land zu ziehen für Dragana Nikolic anfänglich nicht so einfach. Ihr Mann Veljko wohnte zuvor in Paris. Dragana in Belgrad, wo sie studiert hatte. Aus zwei Grossstädten zogen sie in die erste gemeinsame Wohnung in Kollbrunn. Das war ein Wagnis, jedoch zerschlugen sich die Befürchtungen schnell. Wer braucht schon Hochhäuser und vollgestopfte Metros, wenn man auf dem Heimweg Kühe treffen kann?

DER MITTELPUNKT DER WELT IST IM «CHOLI»

Dragana liebt heute Kollbrunn. Alle für die Familie wichtigen Orte sind in maximal einer halben Stunde zu erreichen. Die Arbeitsplätze der Eltern in Fehraltorf und Winterthur in zehn, der Flughafen in 25 Minuten, das Schulhaus von Sohn Viktor in Rikon ist auch nur ein paar Zugminuten entfernt. Alles sonst Nötige befindet sich im Dorf. Wiese, Wald und Fluss gibt’s gratis dazu. Und draussen zu sein, ist den
Nikolics sehr wichtig. Die beiden Jungs Viktor und Filip lieben im Sommer das Schwimmbad in Rikon, die ganze Familie das Grillieren an der Töss und Velotouren durchs Tösstal. Dragana kann sich heute nicht mehr vorstellen, woanders zu leben. Kollbrunn sei viel zu schön, um von hier wegzugehen.

Sich gemeinsam draussen auszutoben, ist eines der liebsten Hobbys von Familie Nikolic. Fotos: Mareycke Frehner

VERGLICHEN MIT FRANZÖSISCH IST DEUTSCH EIN KINDERSPIEL

Dragana hatte in Serbien Jura studiert und ist diplomierte Anwältin. Leider ist es für sie in der Schweiz momentan nicht möglich, einen gleichwertigen Abschluss zu erhalten. Glücklicherweise hat sie bei einer Firma für Verpackungstechnik einen spannenden Job gefunden, der ihr gefällt und sie herausfordert. Dort kann sie unter anderem ihre Sprachkenntnisse einsetzen. In Serbien lernte sie zusätzlich zur Muttersprache Französisch, Englisch und Spanisch. Mittlerweile spricht sie auch sehr gut Deutsch. Auf die Frage, wie schwer ihr das Deutschlernen gefallen sei, meint sie, verglichen mit Französisch sei doch Deutsch ein Klacks. In Serbien lerne man ab der dritten Primarschulklasse Französisch. Trotzdem falle es ihr manchmal schwerer, Dinge auf Französisch zu formulieren als auf Deutsch. Dragana wünscht sich dennoch, noch mehr an ihrem deutschen Wortschatz feilen zu können. Sie möchte richtig «schönes» Deutsch mit allen Finessen sprechen, meint sie.

Wer die Ufzgi erledigt hat, darf wieder nach draussen zum Spielen.

NACHBAR(FREUND)SCHAFT IM HASPEL

Seit zwölf Jahren sind Dragana und Veljko mittlerweile in Kollbrunn. Aber nicht schon immer bei der GWG daheim. Die erste Wohnung war an der Bahnhofstrasse. Es war eine Geduldsprobe und brauchte einige Anläufe, bis es mit der Haspelstrasse- Siedlung funktionierte. Das Warten hat sich aber gelohnt. Vor allem wegen der tollen Nachbarschaft. Der Zusammenhalt im Haspel ist gross. Dragana schwärmt von den freundlichen Menschen in der Siedlung. Regelmässig organisiert man im Quartier Grillfeste, Mädelsabende und vieles mehr. Und wenn Dragana mit ihrem vollgepackten Terminkalender mal nicht dabei sein kann, ist ihr niemand böse. Das ist doch das Schöne an Nachbarschaft, sagt sie. «Ich muss nichts, kann aber, wenn ich möchte. Und alles ist so nah. Ich schätze Nachbarschaft sehr. Gerade für uns, die noch nicht so lange hier in der Schweiz leben, ist die Nähe zu lieben Menschen enorm wichtig.»

OMA BESUCHEN: BEIM WOHNZIMMER EINMAL RECHTS

Draganas Eltern leben in Serbien. Man sieht sich nicht so oft. Umso besser, dass Veljkos Mutter um die Ecke lebt. Man braucht eigentlich nur über den Flur zu gehen. Die Grossmutter von Filip und Viktor wohnt mit Familie Nikolic zusammen in der 5.5-Zimmer-Wohnung. Dragana meint: «In unserer Drei-Generationen-Wohngemeinschaft profitieren alle. Für die Kinder und Veljkos Mutter ist es schön, dass sie so oft zusammen sein können. Wir Eltern sind froh, dass uns die Grossmama manchmal in der Kinderbetreuung entlasten kann. Es ist schön, einen Teil der Familie so nahe bei uns haben zu können.»

SECHS JAHRE AN ZWEI VERSCHIEDENEN ECKEN VON EUROPA

Ihre Schwiegermutter hatte Dragana vor vielen Jahren in den Ferien in Griechenland kennengelernt. Bloss nicht als Schwiegermutter, sondern als Freundin. Gut, dass diese auch noch einen netten jungen Mann im Schlepptau hatte: ihren Sohn Veljko. Alle hatten damals eine Menge Spass zusammen am Meer. Man blieb in Kontakt und aus Freundschaft wurde zwischen Dragana und Veljko Liebe. Eine Beziehung, die noch einige Jahre über eine Distanz von 2000 Kilometern zwischen Paris und Belgrad halten musste. Beide wollten ihr Studium abschliessen. Sechs Jahre dauerte das noch. Aber dann kauften sich beide ein Flugticket. Paris – Zürich. Belgrad – Zürich. Und von Zürich gings dann mit der S-Bahn nach Kollbrunn. Und von da geht es womöglich nie mehr weg.

Ein Artikel aus dem GWG aktuell 3/2024.