Besuch bei innovativen Zürcher Bauprojekten

BEI EINEM BETRIEBSAUSFLUG HABEN DER GWG-VORSTAND UND DIE GESCHÄFTSSTELLE ZWEI JÜNGERE BAUPROJEKTE IN ZÜRICH UNTER DIE LUPE GENOMMEN. DIE FÜHRUNGEN DURCH DAS ELFSTÖCKIGE «HOHES HAUS WEST» UND DURCH DIE GENOSSENSCHAFT «KALKBREITE» ERMÖGLICHTEN SPANNENDE EINBLICKE IN ZEITGENÖSSISCHE BAUKULTUR UND GABEN DENKANSTÖSSE FÜR NEUE FORMEN DES GENOSSENSCHAFTLICHEN WOHNENS.

«Wow! was für ein Ausblick!», denkt man unweigerlich, wenn man zuoberst auf dem «Hohes Haus West» steht und den Blick über Zürichs Dächer auf sich wirken lässt. Wie uns Marc Loeliger von «Loeliger Strub Architektur» auf der Führung erklärte, gehört die Terrasse mit Weitblick nicht zur obersten Wohnung, sondern kann von allen Bewohnern genutzt werden. «Hohes Haus West», dieser Name verrät schon viel: Das Gebäude überragt die umstehenden Bauten, und die Präzisierung «West» verweist auf die Lage an der nun verkehrsberuhigten Weststrasse – die einst eine der lärmigsten Transitachsen Zürichs war.

Was bei der Begehung einer einzelnen Wohnung von «Hohes Haus West» auffällt, ist der architektonische Umgang mit Innen- versus Aussenräumen, zum Beispiel bei den Balkonen. Zwischen dem kleinen Balkon und der Küche ist eine grosse Schiebetür verbaut. Wenn diese geöffnet wird, öffnet sich der gesamte Raum, so dass sich die Küche selbst in eine Loggia verwandelt. Auch in den übrigen Räumen entsteht durch den weiten Blick nach aussen (insbesondere in höheren Etagen) und die grosszügigen Fenster ein besonderes Raumerlebnis. Umgekehrt werden im Erdgeschoss das Quartier und dessen Bewohner ins Haus geholt: ins schmucke Café mit Vintage-Intérieur.

«KALKBREITE» ALS PIONIERSIEDLUNG

Der zweite Teil unseres Ausflugs erwartete uns wenige Gehminuten entfernt: eine Führung durch die «Kalkbreite», mit dem Architekten Pasquale Talerico, dem stellvertretenden Projektleiter der Genossenschaft Kalkbreite. Spannend zu erfahren war hier, dass der grosse Innenhof der Minergie-P-konformen Überbauung nicht für die Genossenschafter reserviert ist, sondern als öffentlicher Raum gilt – mit frei nutzbaren Sitzgelegenheiten und Spielplätzen. Die Genossenschaft teilt also den Platz mit der Quartierbevölkerung.

Das Teilen ist ein wichtiges Stichwort für die «Kalkbreite». Denn viele Räume gehören nicht Einzelpersonen, sondern der Allgemeinheit. So bestehen eine Caféteria, mehrere Terrassen, zudem Näh-, Atelier- und andere gemeinschaftlich verwaltete Räume. Auch wie der Wohnraum in der Kalkbreite geteilt wird, ist innovativ: Es gibt sogenannte Grosshaushalte, die bis zu 50 Personen umfassen, welche an eine gastromässige Gemeinschaftsküche angegliedert sind, bei der täglich für neun Franken ein Menü bezogen werden kann. Zudem spielt Car-Sharing eine wichtige Rolle, da sich die Genossenschafter prinzipiell dazu verpflichten, kein eigenes Auto zu besitzen. Es war verblüffend zu sehen, wie die Genossenschaft Kalkbreite mit Fragen des Teilens und der Partizipation umgeht.

DAS TEILEN IST EIN WICHTIGES STICHWORT FÜR DIE «KALKBREITE». VIELE RÄUME GEHÖREN NICHT EINZELPERSONEN, SONDERN DER ALLGEMEINHEIT.

Der abschliessende Programmpunkt des Ausflugs, der vom GWG-Vorstandsmitglied und Architekten Philipp Brunnschweiler organisiert wurde, war ein Abendessen im Restaurant «Rosso». Bei Speis’ und Trank wurde vieles vom Gesehenen nochmals besprochen: Wer könnte sich das Leben in einem 50-Personen-Grosshaushalt vorstellen? Ist der Verzicht auf ein Auto eine zu hohe Hürde für Genossenschafter, auch mitten in der Stadt? Lassen sich aus dem in Zürich Gesehenen neue Ideen für die spezifische Ausgangslage in Winterthur entwickeln?